Texte
Andrea Gabutti Ausstellung 2. bis 30. September 2007
Gabutti malt filigrane, feinfarbige Abbildungen von Figuren, Gegenständen, Städten und Pflanzen, ohne narrativen Kontext. Auf einen solchen wird höchstens durch die topologische Zugehörigkeit verwiesen, wenn es sich beispielsweise um einen Affen, einen Zwerg, eine Pistole oder einen Baum handelt. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel, Installationen mit lettristischen Elementen («angoisse»; «émotion»; «5 tests pour savoir ce que les autres pensent de vous»). Und es gibt diese eine Personengruppe (1). Durch eine neblige Trübung verschleiert, sieht man eine erwachsene Frau, elegant, schön, die ein zweijähriges Kind auf dem Arm trägt und ein 4 bis 5 jähriges vor sich stehen hat; im Hintergrund erkennt man knapp Silhouetten von Häusern, vielleicht eine ländliche Siedlung. Vielleicht eine Anektote, aber nur angedeutet. Die meisten Bilder beschäftigen sich in vielschichtiger Weise mit der philosophischen Frage des Nichts (2), aber auch mit der Frage, wie in unserer Ist-Zeit die Kunstgeschichte fortgeschrieben wird. Gabutti’s Werk ist eine Art von Erwiderung, eine Forschungsarbeit über die Frage, wie in einer zivilisatorisch dominierten Zeit ohne tragende Kultur (3) plastisches Schaffen aussehen kann. Alle expressive Bombastik ist weg, aber auch alles beliebig Dekorative, jede romantische Nachbildung, und die pseudologische Virtualisierung aller Formen von Abstraktion. Es ist in einer zeichnerischen Metasprache ausgeführte Malerei, die allen auratisierenden Anspruch auf «Gemälde» vermeidet. Gabutti schafft eine Figuren- und Farbenwelt, die die Wirklichkeit des innern und äussern Raums zusammenbringt. Mit der körperlosen Andeutung von figuralen Phänomenen werden raumzeitliche Gebilde zur Erscheinung gebracht. Es ist eine Kunst der mentalen Bewegung des Unbeweglichen. Der Künstler bindet seinen innern Klang damit an seine Zeit. Mit Zurückhaltung, ohne jedes Pathos, malt Gabutti Fragilität und Schönheit des Lebendigen, aber auch des Geschaffenen – neben Stadtansichten können es Panzer sein, oder eine Pistole – samt dessen Fragwürdigkeit, nebenbei, als Absurdation der Sinnfrage («Warum ist Etwas und nicht vielmehr Nichts (4)» ). Die austere, fragmentarische Formensprache steht synonym für eine Epoche ohne Kultur, weitgehend ausschliesslich beschäftigt mit Finanzwirtschaft und Kinderarmut (5). In einer solchen Zeit ist geistiges Engagement ein Verlustgeschäft, künstlerische Auseinandersetzung dagegen ein Schimmer von Hoffnung. Eben gerade nicht ein angesichts der Machtverhältnisse aussichtsloser Gegenentwurf, vielmehr der Kommentar des Künstlers zu seiner persönlichen Stellung in dieser Gesellschaft. Ohne Belehrung transponiert er seine Malerei in einer Art von Instrumentalmusik als Psychografie ihrer Zeit. Es sind Darstellungen der Welt als eines Teils des Subjekts. Es ist eine Symbolik von hoher Reinheit, die uns in den Gesetzen der Farbgebung, von Proportion und Perspektive auch die Mathematik des Schönen und die Schönheit der Mathematik nicht vorenthält. Beat Selz (1) Katalog Museo Cantonale d’Arte Lugano 2006, Seite 62, Bild Nummer 36. (2) Ludger Lütkehaus: «Nichts», Haffmanns Verlag Zürich, 1999. (3) Oswald Spengler: «Der Untergang des Abendlandes», C.H.Beck München, 1923. (4) ibidem. (5) ibidem. Solothurner Zeitung, 05.09.07 Postulate aus befreiter Perspektive Ausstellung Andrea Gabutt in der Galerie Selz in Perrefitte Das Gespräch mit Künstlern, die ihren Stil relativ abrupt ändern, kann besonders aufschlussreich sein. Die jüngsten Arbeiten von Andrea Gabutti, der früher mit einer an Martin Disler erinnernden, wilden und gestischen Malerei auffiel, ohne Erklärungen zu analysieren, ist ein Wagnis. Dennoch findet die Essenz dieser Kunstwerke den Weg zum Betrachter auch so, können sie verständlich werden, vorausgesetzt, es gelingt, jegliches Schubladendenken beiseitezulegen. Gabutti, den Beat Selz erstmals in seiner jurassischen Galerie art contemporain vorstellt, sei als Mensch gekennzeichnet von einer vornehmen Zurückhaltung. „Er spricht kaum über seine Kunst, hat aber viel zu sagen. Mit seiner Arbeit stellt er die Sinnfrage und jene nach der Orientierung im Leben.“ Die minimalistische Ästhetik der meisten Acrylgemälde und Graphitzeichnungen mit zart angedeuteten Bergen, Häusern, Menschen und Tieren nimmt gefangen. Hier der Flügelschlag eines Falken vor neutralem gelbem Hintergrund, da Baumwipfel und Magnolienäste, grau und hellblau umfangen. Mit dieser Motivik tastet sich der Künstler in das alltägliche hinein, das mit dem entsprechenden Fokus metaphorische Bedeutung erlangen kann. Daneben lassen symbolische Arbeiten, Wilhelm Tell, General Guisan, Pistolen und Autos vermuten, dass es hinter der Fassade der Versöhnlichkeit brodeln könnte. In Tapetenmuster integriert Gabutti einen Zwerg, „Che bello“ steht beim Reh, Totenschädel kommen in seinem Werk häufig vor. Erst auf den zweiten Blick ist die Stellvertreterposition solcher Motive im Sinne einer reduzierten Ästhetik erkennbar. Zusätzlich interessieren den Künstler Bild-Wort-Kombinationen. Der 47-jährige Tessiner lebt zurückgezogen in Genf und in Manno im Tessin. Bereits 1980 studierte er an der Ecole Supérieure d’Art Visuel in Genf. Weil er sich in der Zwischenzeit zusätzlich zum Juristen ausbilden liess, erhielt er sein Diplom erst neun Jahre später. Die Suche nach dem richtigen Weg mit einer einfachen, klaren Kunstsprache lässt sich vor diesem Hintergrund erklären. Gabutti findet persönliche Antworten auf existenzialistische Fragen und schafft sich damit eine eigene Ikonografie, die Rückhalt verspricht. Seine klare Bildsprache gleicht einer Auslegeordnung, mit der er sich über sein tägliches Tun Rechenschaft abzulegen scheint. Gabutti hat den introspektiven, reflektiven Weg gewählt, um mit kodierten Metaphern eine Basis über den Ausdruck seines eigenen Wesens hinaus zu finden. Pia Zeugin Le Quotidien Jurassien Oeuvres d’Andrea Gabutti à la Galerie Selz, à Perrefitte Jusqu’au 30 septembre, la Galerie Selz art contemporain, à Perrefitte, présente un choix d’œuvres d’Andrea Gabutti. Le public découvrira des dessins et peintures acryliques figurant en un langage fin, fragmentaire, des paysages, personnages, animaux sortis de leur contexte. Le vernissage a lieu ce dimanche 2 décembre dès 16h. Andrea Gabutti est né en 1961 à Manno, au Tessin. Après une licence en droit, il a obtenu en 1989 un diplôme de l’Ecole supérieure d’art visuel à Genève. Depuis 1987, il a participé à de multiples expositions collectives en Suisse, en France, en Belgique et en Angleterre. Il a présenté des expositions personnelles à partir de 1992, notamment à l’Athénée, à Genève, au Brésil, en Italie, et l’année dernière au Musée cantonal d’art, à Lugano, qui lui a consacré une monographie. Il vit et travaille à Genève et à Manno. Besoin d’évasion Andrea Gabutti a travaillé le dessin, l’image numérique, la sculpture en cire, l’installation et, depuis 2000, la peinture. Il explique qu’il est sorti d’une introspection existentielle par laquelle il traitait de problématique telles que l’identité, la sexualité, le corps, la maladie, la mort, pour envisager une réalité plus globale. « Mon passé, les phénomènes culturels avec leurs multiples angles, le rêve, le besoin d’évasion ou de croyances sont, parmi d’autres, les moteurs de mon activité », expliquait-il à l’occasion d’une récente exposition genevoise. (gi) |
Andrea Gabutti
Ausstellung:
September 2007 |