Texte
Marco Giacomoni
EMOTIONAL LANDSCAPES Ausstellung vom 6.Juni bis 27 Juni 2004 Wird die Malerei neu erfunden ? Hätte ein 30-jähriger Künstler vor wenigen Jahren gewagt, seine Ausstellung mit diesem pathetischen Titel zu versehen ? Hätte ihn jemand ernst genommen ? Er macht es, und er ist nicht allein, und er findet nichts dabei. Gewiss haben wir in den letzten Jahren junge Malerinnen und Maler gesehen, wenn man nur an die jungen Engländer denkt. Viele malen nach geltendem Code, virtuell verfremdet oder im spassigen Mix von Pop und Comic. Einige gestandene Meister haben überdauert. Aber werden nächste Generationen von Künstlern wagen, als Ausdrucksmittel Pinsel und Leinwand zu wählen und ihre Bildwelten ohne «immersives, interaktives Environment» (Oliver Grau in «1 Medienkunst im Ueberblick», 2004) zu schaffen ? Werden sie wagen, gut, schön und frech zu malen ? Werden sie sicher sein, in diesem Medium einen gültigen Ausdruck zu finden ? Kunst ist der Hang zur Transgression im Spiel. Das haben die Humanen im Uebergang von den Neanderthalern in Lascaux bezeugt. Wir können nicht wissen, wie diese Menschen (die sie waren) gelebt haben, was sie dachten. Zweifelsfreie Analogien zu lebenden Urmenschen geben uns aber wesentliche Hinweise. Auch wenn gewisse Leute die borende Frage nach dem Ursprung der Kunst als ermüdend empfinden mögen, sie stellt sich jeder Generation von Neuem. Warum schaffen begabte Menschen nicht nur Quartalsbilanzen ? Es ist die «Lust auf das Bild» (Werner Schmalenbach, 1991). «Für diese Kunst ist das Leben nicht Gegenstand sondern Medium, Fahrt, praktischer Essay, ein Projekt des wachen Daseins» (Peter Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, 1983). Die Natur, mit dieser Fülle von Licht, Formen und Farben, aber auch mit dieser Macht von animalischer Unmittelbarkeit ist der Motor. Die Jagd, die Arbeit und das Uebernatürliche, (Georges Bataille, «Lascaux ou la naissance de l'art», 1955) und – wenn es denn noch zu sagen erlaubt ist: das Heilige – haben den ersten Antrieb geliefert. Und jetzt ist da ein junger Maler, der nichts anderes macht, als – schon fast rituell – sich als Antenne dieser verborgenen Kräfte zu verhalten, und das malt, was diese ihm eingeben. Sein malerischer Prozess wird zur unausweichlichen Uebung der Bewusstseinserweiterung. Das Wild liebt den Jäger, und umgekehrt. Der Maler liebt die Natur, und umgekehrt. Kann man sich vorstellen, dass solcher Austausch für immer durch die technische Schnittstelle verfremdet werden soll ? Kunst ist zu jeder Zeit «keineswegs «bloss» der Ort des Schoenen und Amüsanten, sondern einer der wichtigsten Forschungszugänge zu dem, was die Tradition Wahrheit nennt - ...» (Sloterdijk). Wer ausser Künstlerinnen und Künstlern kann der Fortschritts-Theodizee von Wissenschaft und Kapitalismus sonst noch wiederstehen ? Und unter diesen könnten es vielleicht auch jene sein, die den «umfassenden Totalinstallationen» einen Pinsel gegenüberstellen ? Der «Trend, dass Künste und Kultur wie Unternehmen aufgezogen werden» wird «zunehmend normativ» (Angela Mc Robbie, «Jeder ist kreativ», Singularitäten – Allianzen, 2002). Und Giacomoni malt figurativ – nichtfigurativ, er ist gar Pleinairist. Sein Seismograph steht nicht in Kassel oder Venedig, Fashion ist die andere Welt. Er malt nicht gegen die Elektronisierung der Kunst an. Es ist seine innere Disposition. Die fiktionelle Wiedergabe seiner Wahrnehmung mit rudimentären Mitteln ist seine Welt. Keine Variante von Modelleisenbahn, keine Normalisierung, seine Erfindungen sind die Wirklichkeit. Das ist eine Form von Zeitgenossenschaft. «Mediale Installationen fungieren...als Relais zwischen einem (medialen) Begriff von Oeffentlichkeit und einer subjektiven Sicht der Welt» (Rudolf Frieling in «1 Medienkunst im Ueberblick» 2004). Das lässt sich ohne Zwang auch auf die Malerei anwenden . Beat Selz |
Marco Giacomoni
Ausstellung:
Juni 2004 |