Texte
Mireille Henry
MALEREI DES SELBST Ausstellung vom 12. September bis 10.Oktober 2004 Eine zarte Frauenstimme am Telefon. Ja, man könne sie im Atelier besuchen. Dieses liegt am geheimsten Orte, Sonne von April bis Oktober. Dazwischen muss es ohne gehen. Im Atelier eine junge Frau, mit aller Energie. Sie freut sich. Sie behandelt ihre Werke als Gebrauchsgegenstände, ausgeführt am liebsten auf rezykliertem Papier, das besser als Leinwände die Feinheit der farblichen Instrumentierung wiederzugeben vermag. Dieses und die Acrylfarben täuschen eine Anspruchslosigkeit vor, welche über die grosse Raffinesse der Faktition und der Komposition hinwegtäuscht. Man sieht in eine einzige Bildebene eingearbeitete, «protomorphe» expressive Objekte, die frei von Dogma, ohne geordnetes Licht, lediglich durch die Malweise, mit den Mitteln der Farbe und deren Tonalität, kontrastiert sind. Die Malerin folgt einer Bewegung, die erst in Gang kommt, wenn sie malt. «Ich denke nie an etwas Bestimmtes. Ich muss einen Zustand erreichen, der mich instand setzt, zu malen. Es ist ein Denken vor dem Denken, eine fusionelle Form von Perception und Introspektion, ein Prozess an der psychophysischen Schnittstelle. Ich liebe Brüche und erzähle sie, manchmal auch mit frivolen Elementen. Es ist eine Akkumulation von Motiven, von Erlebtem, von Emotionen, sehr persönlich, ohne vorgefasstes Konzept. Eine rein visuelle und aethetische Gestaltung oder auch eine bekannte figurative Sprache hat kein Interesse» (Mireille Henry, Ateliergespräch). Die Qualität dieser Malerei liegt in ihrer Mehrdeutigkeit, in der Unvollständigkeit und Offenheit der Formulierung, frei von «Wirklichkeitsflecken» (Hermann Hesse, «Steppenwolf», 1927). Es sind «matières instables, non formées, de flux en tous sens, d'intensités libres ou de singularités nomades, de particules folles ou transitoires » ( Gilles Deleuze, Félix Guattari, «Mille Plataux», 1980 ). Es ist die Passion, Bilder von Denken und Fühlen wiederzugeben, in einem malerischen Amalgam der Tiefengeologie. Ich...«wusste alle hunderttausend Figuren des Lebensspiels in meiner Tasche, ahnte erschüttert den Sinn, war gewillt, das Spiel nochmals zu beginnen, seine Qualen nochmals zu kosten, vor seinem Unsinn nochmals zu schaudern, die Hölle meines Innern nochmals und noch oft zu durchwandern» (Hesse, ebenda). Die Effizienz der malerischen Evokation grenzt an Zauberei. Diese löst Bilder aus, die den Betrachter und die Betrachterin in alle geistigen Unterwelten abstürzen und andere Iche erleben lässt, vielleicht und vielleicht doch wieder nicht wie im Traum. Dabei ist belanglos, ob man diesen Vorgang als intellektuell, emotional, spirituell oder mystisch bezeichnet, oder als was auch immer. Was zählt, ist die Arbeit der Künstlerin als Sonde ihrer selbst, in der Zeitlosigkeit meditativer Ist-Identität, übertragen in die Poetik eines Bilds. Diese «stellt die höchsten Anforderungen an Musikalität, Metaphorik und Prägnanz» (Raoul Schrott, Interview mit Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 9.November 2003). Es sind keine surrealistischen Leerformeln, die niemand versteht; vielmehr Vollformeln im Zusammensein von Denken und Fühlen. Dies ist ein Werk ausserhalb der Kodes, das jedeN zu sich selber bringt, das jedeN aufreisst, um zu sich selber zu kommen. „Chacun doit revenir à soi-même, et se tendre la main » . Dieses bewegende, energiegeladene Werk darf als eigenständiger Versuch einer Neudefinition der Möglichkeiten der Malerei in unserer Zeit gelten. Beat Selz Le Quotidien Jurassien, samedi 25 septembre 2004 Les «protomorphes» de Mireille Henry à la Galerie Selz La galerie SELZ art contemporain, à Perrefitte, présente les récents travaux de l’artiste jurassienne Mireille Henry, peinture du murmure et du non-dit exprimé avec raffinement. Jean-Pierre Girod Dans la peinture de Mireille Henry apparaissent des formes végétales, des éléments organiques, des fragments de paysages noyés dans la brume. Or, en peignant, l’artiste jurassienne n’a pas plus à l’esprit de plantes que d’animaux et de portions de nature. Toute resssemblance avec le monde visible relève d’une pure coïncidence, selon la formule consacrée. En fait, l’artiste met en forme, en matière, en teintes, ses états d’âme, ses émotions, d’ou le titre de l’exposition qu’elle présente jusqu’au 3 octobre à la galerie SELZ art contemporain à Perrefitte : «Peinture du soi». Native de Delémont, Mireille Henry a suivi les cours de l’Ecole d’arts visuels de Bienne, avant de collaborer dès 1982 avec différents graphistes de la région. Elle est artiste indépendante depuis 1986 et s’exprime par la peinture, sur toile et plus souvent sur papier recyclé. En 1987/88, elle a obtenu une bourse du canton du Jura, qui lui a permis de séjourner à la Cité internationale des arts, à Paris. Depuis 1993, elle a présenté six expositions personnelles dans le Jura et le Jura bernois, et a participé à de nombreuses expositions collectives, dans la région et ailleures. Bieler Tagblatt vom 8.9.2004, Ressort Kultur Galerie Selz: Mireille Henry «Erinnerte Wahrnehmung will ich malen» Die Galerie Selz in Perrefitte schlägt Brücken. Nicht nur von Biel und Solothurn in den Jura, sondern auch vom Jura ins Mittel- und Seeland. Mireille Henry als Beispiel. Azw. Dass der Jura eine lebendige Kunstszene hat, nimmt man im deutschsprachigen Biel kaum zur Kenntnis. Einer, der versucht Brücken zu schlagen, ist der Galerist Beat Selz in Perrefitte. Zum Beispiel mit der Ausstellung von Mireille Henry. Die Malerin aus Choindez besuchte 1981 die Bieler Schule für Gestaltung, spührte aber bald, dass sie nicht die Grafik, sondern die Malerei suchte und dass sie diese in sich selbst finden musste. «Was ich malen will, ist die Erinnerung», sagt sie. Nicht ihr Bild, sondern die Wahrnehmung, die Fühlform, die ein Erlebnis auslöste. Einem Hauch gleich setzt sie Formen an der Grenze zur Ungegenständlichkeit aufs Papier, mit dünner Acrylfarbe, die – Wasser gleich – fliesst und nichts verfestigt. Papier ist ihr der liebste Untergrund – fast möchte man sie ermuntern, direkt auf die Wand zu malen. Denn die Distanzlosigkeit zwischen Bild und Grund, die dem Moment der «Erscheinung» Vorschub leistet, trifft die Subtilität ihrer Malerei am besten. |
Mireille Henry
Ausstellung:
September - Oktober 2004 |