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Fraenzi Neuhaus
PERCUSSION WRITING Zeichnungen Ausstellung vom 2. Mai bis 30.Mai 2004 In jahrelanger skulpturaler Arbeit zur Auszeichnung des Raums mit textilen Körpern hat die Künstlerin ein tiefes Verständnis für den Herstellungsprozess, die Funktion und die metaphysische Qualität erworben. Mit Können, Fleiss und Ausdauer hat sie lebensgeschichtlich und biosemiotisch aufgeladene skulpturale Strukturen geschaffen. Gedankliche Arbeit und Handwerk waren vereint im Gestus der unermüdlichen Bildnäherin, in Verbindung zu Installation und Architektur. Die Formen liessen sich nicht ohne Anstrengung in kodierte Sprache übersetzen, als «Körperbilder», «Körpergeschichten» (Lisa Schmuckli), oder «Raumzeichnung»(Stefan Kaiser). Dieses Wissen hat sich unerwartet einen neuen Weg gebahnt. Neuhaus stellt nicht mehr statische Räume und Körper dar. Eine repetitive Aktion des eigenen Körpers wird in ein Bildobjekt übertragen. Als Material verwendete Neuhaus immer hochtechnische Plastikpolymere, nun nicht mehr als Fasern, sondern als Gewebe. In einem Akt leichtflüssiger, irrationaler Subjektivität bezeichnet sie diese stundenlang in einem meditativen Schreibvorgang mit monomorphen ovalen Formen. Rhythmus und Geschwindigkeit formen den Punkt zur Linie, den Faden zum Geflecht. Ein viszerales Interesse für jede Form geweblicher Vernetzung hatte Neuhaus seit jeher. Sie ist entzückt, dass noch heute hochtechnische Kabel nach dem Muster uralter Herstellungsverfahren angefertigt werden. In einem Vorgang künstlerischer Selbsterneuerung sind Fertigkeiten und Interessen der früheren Zeichnerin wiedererstanden. Die in Endlosschleifen angeordneten farbigen Kunststoffbahnen werden vom Licht atmosphärisch aufgeladen zu haptisch anziehenden Wandobjekten. Es entstehen nicht mehr leibhafte Seelenzustände. Vielmehr sind es jetzt körperhafte Bilder emotionaler Verfassungen, rythmische Kartografien erotisierten Fleisches, Wurzelwerke existentieller Befindlichkeiten (vergleiche hierzu die kompositorische Zeichnung am Anfang der Einführung zu „Milles Plateaux“, capitalisme et schizophrénie 2, von Gilles Deuleuze). Geflechte sind vitale Grundmuster der menschlichen Befindlichkeit. Sie sind stabil, transparent und formbar, wandelbar. Materialität, Duktus, Schichtung, Schwingung und Farbe schaffen Geistkörper auf der psychophysische Schnittstelle, deren Ausdruck im Kunstwerk wohl die geheimste Triebkraft künstlerischen Schaffens ist. Die Zeichnungen gleichen Nichts ausser sich selbst, es sei denn, man liest sie als emotionale Landschaften, die aussehen wie Körper, oder als Körper, die Landschaften gleichen. Die Bewegungsenergie transformiert sich in Bilder des Selbst (nach Sabine Gebhardt Fink, «Transformation der Aktion», Passagen Verlag, 2003). Die früher in anderer Form ausgedrückten Anliegen sind ihnen nicht fremd. Die Skulpturen sind zu Aktionsbildern transformiert. Diese reflektieren und übertragen Informationen und Gefühle über die Welt und unsere eigene Existenz (Tony Cragg, «Writings», Editions Isy Brachot, 1992). Nun sind es aber keine Leistungen des forschenden Bewusstseins mehr, sondern Gesten, die nichts zu beweisen haben ausser dem Wunsch einer uneingeschränkten metameditativen Präsenz. Beat Selz Bieler Tagblatt, Mittwoch 26. Mai 2004, Kultur Galerie Beat Selz: Fraenzi Neuhaus Percussion Writing Standen bisher durchlässige Raum-Körper im Zentrum der Kunst von Fraenzi Neuhaus, sind es jetzt Zeichnungen, die sie «Percussion Writing» nennt. Aktuell bei Beat Selz in Perrefitte zu sehen. azw. Der Name « Fraenzi Neuhaus» verrät es, die Solothurner Künstlerin ist auch Bielerin und ist als solche regelmässig an den Jahresausstellungen in Biel präsent; oft mit raumgreifenden Netzkörpern aus Kunststoffen; zuletzt aus Kabelbindern «gestrickte». Die repetierenden «Maschen» sind auch Basis der neuen Zeichnungen auf stabiles Polymergewebe, erscheinen hier aber als sich überlagernde Mehrfach-Handschrift. Die «Rapport-Muster» spielen dabei so mit den Eigenschaften des Materials, dass erneut Raum-Körper entstehen, fiktive zwar, doch betörend im Raum-Licht schillernde, potenziert durch die Verdoppelung des Gewebes, als Endlosschlaufen. Die als architektonischer White Cube angelegte helle Galerie von Beat Selz in Perrefitte bei Moutier vermag die Wechselwirkung zwischen umbautem Raum und vibrierendem Zeichen-Raum eindrücklich sichtbar zu machen. Wer weiss, vielleicht haben Hans Kochs Klänge an der Vernissage von Roland Adatte, vor einiger Zeit in derselben Galerie, den ebenso schönen wie träfen Titel «Percussion Writing» evoziert. |
Fraenzi Neuhaus
Ausstellung:
Mai 2004 |