Texte
Guy Oberson Lumière, de craie noire et de chaux vive
Ausstellung 11.Juni bis 9.Juli 2006 Auf den ersten Blick werden Sie für einen Moment die Augen senken müssen, um Atem zu holen. In den Werken von Guy Oberson steckt eine Kraft, die mindestens einen Atemzug verlangt, bevor man sich diese aneignen kann. Im Gegensatz dazu entspringen in diesen Porträts den Augen, sogar wenn diese von den zahllosen Kreidestrichen völlig zerfurcht erscheinen, Blicke ganz ohne Scham; die Sie durchdringen, die Sie in Zucht nehmen, die Sie lähmen. Erst nach diesem Atemzug ihres Herzens, wenn die Sinne, die Sie kurz verlassen haben, zurück sind und Sie beginnen, die Erregung, welche Sie erfasst hat, zu verstehen, finden Sie die Worte wieder. Aber Worte erklären nichts; sie werden Ihnen lediglich eine Reihe von widersprüchlichen Aussagen gegenüberstellen: Diese zermarterten Augen, die Sie nicht wirklich fixieren, fühlen Sie dennoch in Ihrem Innern brennen. Diese in ausholenden Strichen immer von Neuem und bis zur Obsession gezeichneten Gesichter, mit den Nägeln des Künstlers eingeritzt, diese Porträts, deren Züge in sich zusammenfallen, um in einem tiefen Schwarz zusammenzutreffen, wo der Mund sein müsste, diese eingestürzten Figuren geben Ihnen nichtsdestotrotz das Gefühl kannibalischer Vitalität. Wenn auch das Licht aus dem Hintergrund eindringt, die Figuren im Gegenlicht erhellt, so kommt doch die Leuchtkraft der Werke aus ihrem Zentrum, dort wo der Strich der schwarzen Kreide am schwersten ist, am dicksten, am nachdrücklichsten, dort wo ein triumphierender Blick und Fleisch fressende Zähne blinken. Nun also, Sie werden ein wenig zögern: Reflektieren diese Porträts tiefes Leid oder triumphierenden Jubel ? Stellen sie wirkliche Personen dar, oder sehen Sie in dem streifigen und von langen vertikalen Strichen zerklüfteten Helldunkel eher so etwas wie das Universum des Künstlers ? Das muss es sein: In der Tat, weder in seinen konturierten, noch in seinen skulpturalen Porträts versucht Guy Oberson effektiv die Wirklichkeit wiederzugeben. Die konturierten Porträts (Serie von Kleinformaten) stellen emotionale Skizzen dar, die auf direkte und einfühlsame Art eine momentane Beobachtung wiedergeben*. Wenn es ein Übersetzungsphänomen gibt, wird damit die Wirklichkeit interpretiert, und Sie betrachten eine Zeichnung, welche nicht die Natur wiedergibt, sondern deren innere Repräsentation. Bezüglich der grossen Zeichnungen in skulpturaler Manier ist festzustellen, dass diese Porträts, wenn sie auch solide an der Wand befestigt sind, Sie zu fixieren scheinen, Sie, obschon Sie sie anzuschauen wähnen, diese dreidimensionalen Gesichter, dargestellt in Höhlungen und Schatten, in Narbenzügen, in Spuren von Krallen und Nägeln. Die Porträts entziehen sich der Wirklichkeit der Modelle; sie übertreffen sie, sie lehnen sich auf, verweigern sich, bis sie zuletzt nur noch die innere Wirklichkeit des Künstlers wiedergeben, mit Eigenschaften, die direkt der intimen und intensiven Welt des Künstlers entsprungen sind, ungeachtet dessen, dass eine wirkliche Person mehr als Skelett denn als Modell gedient hat. Betrachten Sie das Gesicht eines Unbekannten in der Strasse: Sie nehmen seine Lebendigkeit war, weil dieses Gesicht sich bewegt, sinnlich und lebhaft ist. Unbewegliche Visagen ohne Ausdruck verschwinden dagegen aus Ihrem Gedächtnis, kaum sind Sie ihnen begegnet. Die Porträts von Guy Oberson, sogar wenn sie nicht die realen Züge ihrer Modelle wiedergeben, weil der Künstler eben gerade vermeiden will, in die Falle ihrer Realität zu geraten, diese Porträts sind viel tiefgründiger real als wenn sie das Aeussere wiederzugeben suchten. Vielleicht weil sie bewegt sind, lebendig; bestimmt aber, weil das, was sie zeigen, die Seele ihres Schöpfers ist, ebenso wie die Ihrige. Nicolas Couchepin (Uebersetzung aus der französischen Sprache von Beat Selz) * Das Zitat in Schrägdruck ist eine Aussage des Künstlers Porträts von Guy Oberson Oder «Der Figuration die Figur entreissen» (Deleuze) Der Empfang ist feinfühlig, der Mann hat Manieren. Aber die Modelle, die unvorsichtig genug waren, sich in seinem Atelier niederzulassen, sind alle vermisst gemeldet. Sie werden ihre Körper nicht wiedererkennen. Das ist der Grund, dass er es vorzieht, nach Photographien zu malen. Kleine Vorsichtsmassnahme eines Mörders. Ich weiss, wie seine Hand den Stift hält. Wenn er in der Stille des Ateliers zertrennt, zerschneidet, der Furche einer Hautfalte folgt, dieser Planskizze, die dem Skalpell den Weg weist, wo schneiden, wo abtragen, abtragen bis auf den Knochen, und weiter daran schaben, die Substanz herausarbeiten, die Schichten anhäufen...Undurchsichtiges Wunder der Linien, die sich zu Oeffnungen überlagern, zu Durchbrüchen, wenn sich der Künstler an den Körper lehnt, gegen das Fleisch, welches er ausgreift. Sein dunkles Messer schneidet wie ein Blitz. Die Haut eröffnen – den Mund aber zusammennähen, mit aller Aufmerksamkeit den Mund modellieren, diesen in engstehende Punkte einlassen, und die Augen aufmachen, natürlich. Das Wesentliche herausarbeiten, die Stimme ohne die Worte, das leise Zittern der Stimmbänder; den Blick enthüllen, welcher aus ferner Tiefe hinter Iris und Pupille hervordringt. Alles Weitere wegreissen, alles Unwesentliche, und auswischen, immer wieder, auslöschen bis zur Auflösung. Schwarze Kreide, ätzender Löschkalk. Er opfert dabei seine Nägel, vom Papier zerschunden, und viel von sich selber. Er lehnt sich häufig zurück, wie um dem Werk bei seiner Verschmelzung nicht im Weg zu stehen, aber vergeblich : die Abbildungen, die er hervorbringt, sind immer auch ein wenig die seinigen. Der Andere verliert dabei sein Wesen. Es bleibt der Geschmack von Eisen, ein Hauch, auf der Zunge des Malers. Nichts Willkürliches oder Gesuchtes, einfach eine Folge. Und es bleibt die Spur seiner Hand. Aus den Schichten des Papiers hat sie Grabestiefen ausgehoben – aber das Gewebe des Schweisstuchs pulsiert, von Leben erfüllt, das Gewebe bebt. Es ist keineswegs ein Abdruck, der aufgepresst wurde. Es ist die Ausstrahlung eines Körpers. Die Schönheit, der Schmerz, die Wut, die unerwartete Sanftheit, manchmal, einer Erscheinung. Ein gefährlicher Demiurg, der uns auf diese Weise dem Strom des Lebens aussetzt. Pascal Janovjak (Uebersetzung aus der französischen Sprache: Beat Selz) Guy Oberson / Ausstellung 11.Juni bis 9.Juli 2006 Des portraits de Guy Oberson Ou « Arracher la figure au figuratif » (Deleuze). L'accueil est sympathique, les manières de l'homme sont d'une grande douceur. Mais les modèles qui ont eu l'imprudence de s'asseoir dans son atelier sont tous portés disparus. Vous ne reconnaîtrez pas les corps. C'est pour ça qu'il préfère peindre d'après photos. Petite précaution d'assassin. Je sais comment sa main tient la craie. Quand dans le secret de l'atelier il lacère, déchire, suit le sillon d'une ride, cette esquisse qui indique la voie au scalpel, couper ici, creuser, creuser jusqu'à toucher l'os, et gratter encore, sortir la matière, accumuler les couches… Sombre miracle des traits qui se superposent en orifices, en percées, quand l'artiste pèse contre le corps, contre la chair qu'il fouille. Son couteau de nuit taille en éclairs. Ouvrir la peau – mais coudre la bouche, attentivement coudre la bouche, la sceller en points serrés, et crever les yeux, bien sûr. Saisir l'essentiel, la voix sans les mots, saisir le tremblement étouffé des cordes vocales, et dévoiler le regard qui brûle loin derrière l'iris, derrière la pupille. Arracher le reste, arracher l'inutile et puis laver, laver encore, délaver jusqu'à dissoudre. Craie noire, chaux vive. Lui y laisse des ongles, brûlés par le papier, et beaucoup de soi. Il se recule souvent, pour échapper à l'œuvre en fusion, mais en vain : les portraits qu'il trace sont toujours un peu ceux de son propre visage. L'autre y perd son être. Reste un goût de fer, peut-être, dans la bouche du peintre. Rien de volontaire ou de recherché, juste une conséquence. Et reste la trace, sa main. Dans l'épaisseur du papier, elle a creusé des profondeurs de tombeau – mais la trame du suaire palpite, habitée, la trame vibre. Car ce n'est pas une empreinte qui s'est posée là. C'est le frémissement d'un corps. La beauté, la douleur, la fureur, l'étonnante douceur, parfois, d'une présence. Il faut que le démiurge soit meurtrier, pour nous livrer ainsi l'électricité de la vie. Pascal Janovjak |
Guy Oberson
Ausstellung:
Juni - Juli 2006 |