Einladungstext
Die Architekten Bakker und Blanc haben als Grundgedanken für die Struktur unserer Galerie die camera obscura benutzt, als Symbol für das Zusammen- spiel von Auge und Bewusstsein, für die epistemische Logik der Verbindung von Intuition, Wissen und Erfahrung. Wir haben unsererseits die Galerie als experimentelle Landschaft betrachtet, welche die reale Landschaft spiegelt, namentlich diejenige der jeweils aktuellen Kunstszene der Schweiz. Die Künstlerin selber sagt es so: «Für mich ist Kunst ein Teil der Natur, Kampf ums Überleben, pflegen von Körper und Geist, Kräfte sammeln und Freiheit haben, Innen und Aussen Ruhe finden, loslassen, zulassen, Bilder entstehen lassen, die Umgebung formen, in der Natur sein, dankbar sein, geben können, dann wenn es entsteht. All das ist mein Bild». Die Bilder sind schlicht, aber alles andere als naiv, von gegenständlich bis ex- pressiv, oft mit reichen ornamentalen Hintergründen. Sie sind eine Tiefensprache direkt aus dem Grundwasser des Unbewussten, von der Künstlerin mit ihren Armen und Händen als direkten Verlängerungen des Nervensystems in die eigene Ästhetik transformiert. Keine andere Kunstgattung hat eine solche intrinsische Authenzität im Zugang zu den vorsprachlichen Elementen unserer Kognition. In spielerischer Verdichtung von Stilen und Inhalten wird in alle Hindernisse überjagender Meisterschaft ein Seelenbild des Lebens erschaffen, das für einmal nicht in kodierter Form Wissen transportiert, sondern Erbauung und Trost. Grosse Kunst. Beat Selz, 28. Juni 2021 Le Quotidien Jurassien 10.Juni 2017 (Auszug aus dem Artikel) Als die ersten Werke von Esther-Lisette Ganz in der Kunstszene von Biel auftauchten, Anfang der 70er Jahre, nahm das Publikum - schwankend zwischen Bewunderung und Verblüffung - diese Malerei als naiv wahr. Zwar trifft es zu, dass die Künstlerin damals Katzen grösser als Bäume zeichnete und malte, zwischen den Häusern paradierende rote Elefanten mit Blumen-geschmückten Rüsseln und andere Szenen eingängiger Poesie, die in einem Kinderbuch nicht aus dem Rahmen gefallen wären. Die technischen Nachforschungen, die Vielfalt der bildnerischen Handschrift und die viel mehr spirituell als populär inspirierten Themen differenzierten das Werk aber bald von naiver Kunst. Eine unklassierbare Malerei, mit surrealen Akzenten, die von Traum und Unbewusstem abstammt. Das Werk ist zum Teil figurativ, was dieses jedoch zu sehen gibt ist der Realität nur zuzuordnen durch Andeutungen, Symbole, Metaphern. Ein traumhaftes, verwirrendes Werk, bevölkert von frohen, tänzerischen Figuren, halb Mensch, halb Gottheit, mit gekrönten Häuptern, Anmutungen von Flügeln, gespaltenen Körpern und der Gabe, mit den Gegebenheiten von Perspektive und Schwergewicht zu spielen. Auch die Naturgesetze selbst halten nicht stand, wie beispielsweise dieser wie ein Auswuchs aus einem Hunderücken herausragende menschliche Kopf, dieser Schmetterlingsmensch oder dieser andere Hund mit roten Tupfen, ähnlich dem Kleid des Mädchens, das ihn an der Leine hält. Esther-Lisett beginnt jede Arbeit aus einem Impuls, und über lässt sich dann dem Fluss der Ideen und Träume, Schicht für Schicht, modifiziert diese im ganzen Lauf der Arbeit. Es sind rein intuitive Kreationen, die aus dem Unbewussten schöpfen wie es die Surrealisten taten. Vielleicht aber doch mit dem einen Filter: Alle Werke sind durchdrungen von triumphierendem Optimismus, wie wenn die reale Welt nicht existierte. Jean-Pierre Girod (Uebersetzung Beat Selz) Esther - Lisette Ganz - Ausstellung 1. Juni – 29.Juni 2003 Sie malt figurativ, in schönen Farben und mit reichen, dekorativen Hintergründen. Esther-Lisette Ganz arbeitet abseits von Trends und Kodierungen in eigenem Territorium. Nämlich dort, wo die Seelen verweigern, sich selber entfremdet zu werden, im gelobten Land, wo Subjekt und Objekt eins sind und Wasser zu Wein werden kann. Hier wirkt der Zauber der Imagination. Während das Denken schläft, bleiben die Seelen ungeteilt. „Man überlege sich, was es uns bedeuten könnte, von unseren Bindungen und Pflichten erlöst zu sein, von unseren Illusionen befreit, wenn es denn so etwas geben könnte, ob wir dann nicht näher an der Realität wären ?“ (Catherine Lambert, im Katalogtext zur Ausstellung von Francis Alÿs, „The Prophet and the Fly“, Kunsthaus Zürich, 2003). Die Bilder sind schlicht, aber alles andere als naiv. Sie stammen direkt aus dem Grundwasserstrom des Unbewussten. Die Arbeiten laden zur Kontemplation ein und bilden eine Brücke zu bild- und zeitloser Meditation. Sie verbinden BetrachterInnen und Malerin durch gemeinsame Ahnungen und Erinnerungen an Existenzformen, wo das Leben weniger den Diktaturen von Macht und Geld ausgeliefert war. Die abgebildeten Wesen wundern sich über die menschliche Wunde, sie wundern sich, warum das Urwesen zweigeteilt wurde, was die Menschen voneinander wollen. Um sie versammeln sich Gefühle, welche die reduzierende Logik analytischer Argumente überwinden. Die Allegorie wirkt über die Aesthetik und das Unerwartete, Geheimnisvolle. Der Betrachter oder die Betrachterin muss nicht verstehen, was zu sehen ist. Die Bilder transportieren ihre eigene Wirklichkeit, ohne dass diese durch einfach lesbare Figuren und ihre offensichtliche Bedeutung maskiert würde. Ohne Pathos erinnern die Bilder daran, dass wir unser zivilisiertes Leben nicht allein auf die Mittel reduzieren können, die dieses ermöglichen. Ueber die berechneten Mittel hinaus sucht der Mensch nach dem Zweck oder den Zwecken, für welche diese Mittel da sind. Reichtum oder Arbeit sind offensichtlich nur ein Mittel. Dem Zeitgeist zum Trotz sei wieder einmal gewagt, daran zu erinnern, was die Menschen seit Jahrtausenden wissen (und schon damals in den Verzierungen ihrer Höhlen darstellten). Im Vorwort zu seinem literarischen Vermächtnis hat Georges Bataille diese menschlichen Urzwecke genannt: „Das Verlangen nach Erotik zu stillen – sowie das vielleicht menschlichere (weniger physische) Verlangen nach Poesie und Ekstase (aber besteht zwischen Erotik und Poesie, zwischen Erotik und Ekstase überhaupt ein fühlbarer Unterschied ?) –, ...“ (G.B.: Die Tränen des Eros, Matthes & Seitz Verlag München 1981, aus dem Französischen übersetzt von Gerd Bergfleth, Seite 21). Frau Ganz ist weit entfernt von der direkten Sprache von Bataille. Sie begnügt sich mit stiller Poesie, die von verhüllter Erotik allerhöchstens gestreift wird, von Ekstase nicht zu reden. Man muss das aber bedenken, wenn erkannt sein soll, dass in diesem reichen Werk nicht nicht Märchenfiguren, sondern Allegorien der menschlichen Befindlichkeit dargestellt werden. Beat Selz (Mai 2003) Für mich ist Kunst ein Teil der Natur, Kampf ums Ueberleben, pflegen von Körper und Geist, Kräfte sammeln, Kraft und Freiheit haben, Innen und Aussen Ruhe finden, loslassen, zulassen, Bilder entstehen lassen, die Umgebung formen, in der Natur sein, Freiheit haben, dankbar sein, geben können, dann wenn es entsteht. All das zusammen ist mein Bild.
Esther-Lisette Ganz Ausstellung 1. Juni – 29.Juni 2003 Sie malt figurativ, in schönen Farben und mit reichen, dekorativen Hintergründen. Esther-Lisette Ganz arbeitet abseits von Trends und Kodierungen in eigenem Territorium. Nämlich dort, wo die Seelen verweigern, sich selber entfremdet zu werden, im gelobten Land, wo Subjekt und Objekt eins sind und Wasser zu Wein werden kann. Hier wirkt der Zauber der Imagination. Während das Denken schläft, bleiben die Seelen ungeteilt. „Man überlege sich, was es uns bedeuten könnte, von unseren Bindungen und Pflichten erlöst zu sein, von unseren Illusionen befreit, wenn es denn so etwas geben könnte, ob wir dann nicht näher an der Realität wären ?“ (Catherine Lambert, im Katalogtext zur Ausstellung von Francis Alÿs, „The Prophet and the Fly“, Kunsthaus Zürich, 2003). Die Bilder sind schlicht, aber alles andere als naiv. Sie stammen direkt aus dem Grundwasserstrom des Unbewussten. Die Arbeiten laden zur Kontemplation ein und bilden eine Brücke zu bild- und zeitloser Meditation. Sie verbinden BetrachterInnen und Malerin durch gemeinsame Ahnungen und Erinnerungen an Existenzformen, wo das Leben weniger den Diktaturen von Macht und Geld ausgeliefert war. Die abgebildeten Wesen wundern sich über die menschliche Wunde, sie wundern sich, warum das Urwesen zweigeteilt wurde, was die Menschen voneinander wollen. Um sie versammeln sich Gefühle, welche die reduzierende Logik analytischer Argumente überwinden. Die Allegorie wirkt über die Aesthetik und das Unerwartete, Geheimnisvolle. Der Betrachter oder die Betrachterin muss nicht verstehen, was zu sehen ist. Die Bilder transportieren ihre eigene Wirklichkeit, ohne dass diese durch einfach lesbare Figuren und ihre offensichtliche Bedeutung maskiert würde. Ohne Pathos erinnern die Bilder daran, dass wir unser zivilisiertes Leben nicht allein auf die Mittel reduzieren können, die dieses ermöglichen. Ueber die berechneten Mittel hinaus sucht der Mensch nach dem Zweck oder den Zwecken, für welche diese Mittel da sind. Reichtum oder Arbeit sind offensichtlich nur ein Mittel. Dem Zeitgeist zum Trotz sei wieder einmal gewagt, daran zu erinnern, was die Menschen seit Jahrtausenden wissen (und schon damals in den Verzierungen ihrer Höhlen darstellten). Im Vorwort zu seinem literarischen Vermächtnis hat Georges Bataille diese menschlichen Urzwecke genannt: „Das Verlangen nach Erotik zu stillen – sowie das vielleicht menschlichere (weniger physische) Verlangen nach Poesie und Ekstase (aber besteht zwischen Erotik und Poesie, zwischen Erotik und Ekstase überhaupt ein fühlbarer Unterschied ?) –, ...“ (G.B.: Die Tränen des Eros, Matthes & Seitz Verlag München 1981, aus dem Französischen übersetzt von Gerd Bergfleth, Seite 21). Frau Ganz ist weit entfernt von der direkten Sprache von Bataille. Sie begnügt sich mit stiller Poesie, die von verhüllter Erotik allerhöchstens gestreift wird, von Ekstase nicht zu reden. Man muss das aber bedenken, wenn erkannt sein soll, dass in diesem reichen Werk nicht nicht Märchenfiguren, sondern Allegorien der menschlichen Befindlichkeit dargestellt werden. Beat Selz (Mai 2003) Le journal du Jura, 6. juin 2003 PERREFITTE - Esther-Lisette Ganz Un monde atypique Imaginez un monde mystérieux, où le rêve et la pureté seraient les éléments majeurs. SELZ art contemporain propose d’en capter quelques bribes au travers des œuvres atypiques d’Esther-Lisette Ganz. Née à Ipsach en 1950, Esther-Lisette Ganz est depuis longtemps dans le milieu artistique, puisqu’à 20 ans à peine, elle officiait déjà comme graphiste auprès de la Croix-Rouge suisse. C’est peut-être ces deux années passées au sein de l’organisation caritative qui ont formé son regard très humaniste. L’art, pour cette Tramelote d’adoption, est plus qu’une simple philosophie. Il est, pour cette timide quinquagénaire, une source d’énergie lui permettant de faire vivre son esprit de liberté et de trouver une certaine paix intérieure. Son oeuvre très surprenante se compose donc de peintures, de collages et de dessins presque surnaturels, où l’homme et l’animal occupent une large place. Les formes humaines, très stéréotypées, égarent parfois le spectateur dans un monde proche de celui du génial Keith Haring. Pourtant, Esther-Lisette Ganz se défend de toute influence. Malgré cela, le contemplateur y trouvera une multitude d’interprétations et de mondes parallèles mystérieux. Il pourra aussi se perdre dans des fonds picturaux puissants, un peu mystiques, aux couleurs vives, contrastant avec des formes humaines ou animales parfois un brin pâle, comme si l’homme et la bête devaient s’effacer face à leur environnement. Certains y verront aussi des figures angéliques, presque byzantines, accompagnées d’animaux stylisés à la manière des dieux égyptiens. D’autres, plus prosaїques, concluront à une peinture un peu naїve. Ces derniers seront alors bien à côté de leur sujet, car les thèmes abordés, provenant des tréfonds les plus reculés de l’inconscient de l’artiste, s’inscrivent plus dans une démarche instinctive où chaque élément est pensée rigoureusement. Quoi qu’il en soit, l’artiste a trouvé là son propre langage, atypique, dans lequel la nature est dénaturée, les formes sont simplifiées à l’extrême et le réel côtoie l’irréel. Le spectateur pourra alors se perdre dans ce que l’on pourrait appeler un palimpseste moderne, au sein duquel les éléments se chevauchent sans s’asphyxier et tout en gardant leur propre histoire, ils en recréent une autre plus fantastique et sibylline. (jhe) Bieler Tablatt, «Kultur», Mittwoch, 11.Juni 2003 Bieler Tablatt, «Kultur», Mittwoch, 11.Juni 2003 Esther-Lisette Ganz: AUSSTELLUNG BEI BEAT SELZ Wer zaubern kann hat zwei Leben Zuweilen wird die Bildwelt von Esther-Lisette Ganz als naiv bezeichnet. Wer sich näher damit beschäftigt, merkt: Das ist falsch. Gelegenheit zur Vertiefung bietet die Galerie Selz in Perrefitte bei Moutier. Azw. Esther-Lisette Ganz lebt in einer der Lofts der vom Zürcher Architekten Hannes Strebel ausserordentlich umgebauten «Record Watch» in Tramelan. Sie liebt die Kargheit und den Freiraum des abgelegenen Juras. Als Malerin gehört die in Ipsach aufgewachsene jedoch seit eh und je zur Kunstszene Biels. Und mit Jahrgang 1950 zu jener Generation von Frauen, die sich in den 70er Jahren persönliche Welten schufen, um ihrem Aufbruch zu neuer weiblicher Identität Bild zu geben. Schon 1972 stellte die Absolventin der Bieler Schule für Gestaltung erstmals im «Ring 5» in Biel aus. Wie viele ihrer Genossinnen wurde Esther-Lisette Ganz nie überregional bekannt; zu viele Steine lagen für die Künstlerinnen dieser Generation im Weg. Den gesellschaftlichen Hintergrund mitzudenken, kann jedoch Schlüssel für die Auseinandersetzung mit Ganz’ Schaffen sein. Im Zentrum steht die «Königin» - eine von den Unannehmlichkeiten der Realität befreite, nur als körperhafte Kontur lebende Figur. Ihre Erscheinung ist weiblich, aber trotz ihrer Nacktheit nach aussen kaum geschlechtlich. Die als bedeutsame Zeichen gesetzten Brüste wirken oft wie künstlich aufgepfropft. Doch was die Ganz- und Halbfiguren, neben ihrem «magischen» Blick fast immer bei sich haben, ist ein «Zauberstab» - sei es eine blinkende (getupfte) Kette um den Hals, ein federähnlicher Kopfschmuck oder auch nur «fremd»-farbige Haut. In der «Geburt» - ein Bild von 2003 – zum Beispiel ist es blaue Farbe bis zur Hüfte, die sich in den Armen zum Ring schliesst. Der Zauber, so hat man den Eindruck, hat die Kraft, die fleischliche Realität aufzuheben und die gedachte, erträumte, erfühlte sichtbar werden zu lassen. So sind die kahlköpfigen Königinnen wie feinstoffliche Projektionen weiblilcher, das Männliche zuweilen miteinschliessender Ich-Körper. «Bei sich sein» zum Beispiel schliesst den Ring um eine Doppelfigur, männlich-weiblich. In der von Bakker&Blanc mitten im Dorf Perrefitte bei Moutier neu erbauten Galerie von Beat Selz zeigt Esther-Lisette Ganz Acrylbilder, Aquarell-Mischtechniken und Tusch-Zeichnungen aus den letzten vier Jahren. Sie deklinieren sich gegenseitig. Das heisst, was in den Acrylbildern auf Zeichenhaftigkeit komprimiert und in einen entfremdeten Aggregats-zustand gerückt ist, erscheint in den kleinen Farbblättern als wandelbare Sammlung von Form- und Ausdrucksideen und in den Zeichnungen als (erotischer) Tanz. Es ist gut, sie miteinander zu sehen, die eine Ebene in die andere zu drehen. Weg zur Transparenz Vergleicht man ein Hochformat von 1999, das die junge «Königin» auf rotem Grund schreitend zeigt, mit einigen Arbeiten dieses Jahres, so wird spürbar, dass die Künstlerin nach mehr Transparenz sucht, Körperliches und Hintergründiges abstrakter ineinander überführen möchte. Noch ist dies nicht immer gelungen, doch eindrücklich sind zum Beispiel vier auf Jura-Landkarten gemalte Papierarbeiten, in welchen die Figuren nur noch Lineaturen sind, fast körperlos sich selbst denken. |
Esther-Lisette Ganz
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