Saaltext
An den Jahresend-Ausstellungen der vergangenen Jahre sah man von Nicolas Grand Tafelbilder mit farbig gezeichneten Gruppen von Menschen und Tieren, eingebettet in meist heitere, luzide Farbflächen, in denen man durchscheinend auch Pflanzen und Landschaften erkennt oder vermutet. Für solche Serien erhielt der Künstler am 31.Mai 2018 ein Aeschlimann Corti-Stipendium. Douglas Crimp (lange nach Hegel und Vasari !) hat 1981 das “Ende der Malerei” verkündet: “only a miracle can prevent it from coming to an end” (October 16, 1981). Es war der Gründergeist des Neoliberalismus als Religion, dem auch die Kunst nicht widerstand, und nebenbei wurde schlicht festgehalten, dass die aus der Renaissance und dem 19.Jahrhundert herausgewachsene Malerei heute wesentlich nicht einmal mehr in Museen, sondern unsichtbar in sterilen Banksafes aufbewahrt werde (Daniel Buren, Reboundings 1977); im Freien wirkte (als Beispiel) Frank Stella. Ohne auf diese komplexen konzeptuellen Fragen eintreten zu können, ist doch bemerkenswert, wieviele junge Künstlerinnen und Künstler sich immer noch des Mediums der analogen Malerei bedienen, und in welcher Vielfalt von Stilen dies geschieht. Es sieht so aus, dass sich jede und jeder legitimiert fühlt, den eigenen Weg in der plastischen Transformation seiner Anliegen zu gehen. Vielleicht ist es deshalb müssig, Vergleiche mit vergangenen Modalitäten anzustellen. Vielmehr interessiert die Haltung, welche hinter den Arbeiten steht. Darüber hat zur gleichen Zeit wie Crimp und Buren der grosse Gerhard Richter gesprochen: “Man muss daran glauben, was man macht, man muss sich innerlich engagieren, um Malerei zu machen. Einmal davon besessen, treibt man es schließlich so weit, zu glauben, dass man die Menschheit durch die Malerei verändern könnte. Wenn man aber von dieser Leidenschaft frei ist, so gibt es nichts mehr zu tun. Dann ist es empfehlenswert, die Finger davon zu lassen. Denn im Grunde genommen ist das Malen eine komplette Idiotie” (Notizen 1973). Ungeachtet seiner Schlussfolgerung praktiziert Richter noch heute; Warum, hatte er schon 10 Jahre früher gesagt: “Über Malerei reden, das hat keinen Sinn. Indem man mit der Sprache etwas vermittelt, verändert man es. Man konstruiert solche Eigenschaften, die gesprochen werden können, und unterschlägt die, die nicht ausgesprochen werden können, die aber immer die wichtigsten sind”. (Notizen 1964/65). Voilà. Das hat auch Grand seit jeher beschäftigt. Seine Bachelor-Arbeit an der Hochschule für Kunst und Design Luzern im Jahr 2013 schrieb er über das Unbewusste. Damit verbunden ist die Frage, was passiert, wenn der Maler oder die Malerin das Bewusstsein verliert ! Gar nicht behandelt wurde die Frage nach dem Unbewussten in der Kunstgeschichte. Crimp wiederum schreibt in seiner zitierten Arbeit eine solche von Richard Hennessy in den Grund (“What’s All This about Photography” (Artforum XVII, 9, 1979). Crimp schreibt “The revivalism of current painting, which Hennessy’s text so perfectly articulates, depends, of course, on reinvesting those strokes with human presence; it is … methaphysics of the human touch”. Und Hennessy: “Painting’s quasi-miraculous mode of existence is … by its mode of facture … through the hand: this is the crucial point”. Re-voilà. Ungeachtet professoraler Ratschläge an vielen Kunsthochschulen beschäftigen diese Fragen auch heute noch, beziehungsweise heute wieder, viele junge Künstlerinnen und Künstler. Warum ? Im Gespräch bezeichnet der Künstler das Bewusstsein für den Abgrund des sapiens genannten Menschen-Affen für sein heutiges Schaffen als gegeben. Grand geht es um die menschliche Gesellschaft, um das Menschsein, wo Gefühle oft dringlicher sind als Gedanken, woraus auch Widersprüche entstehen. Man merke das beim Malen, wo er aus präkognitiver Tiefe unvermittelt in der eingeschlagenen Richtung nicht weitergehen kann, wo er auf Dinge stösst, die man nicht aussprechen kann, dass gewisse Überlegungen vielleicht nicht so zentral sind, wie anfangs angenommen. Der Bildspracheunterricht im Vorkurs in Biel habe ihn in den Anfängen davor bewahrt, dem Kunstdiskurs, der Kunsttheorie, zu viel Gewicht zu geben. Zugunsten der Authenzität habe er sich damit “der Kunst” verweigert. Nach zwei Jahren akademischer Ausbildung an einer Universität hatte Grand gemerkt, dass er für das Zeichnen und die Malerei tatsächlich Begeisterung und Leidenschaft empfinde. Er hat sich für den Vorkurs für Gestaltung entschieden und sehenden Auges die Tatsachen einer Existenz als Künstler akzeptiert. Er ist in das unbekannte Land “Dasein” aufgebrochen, mit einer Praxis der Ablösung von der Welt zum Zwecke des Selbst-werdens im Verzicht. In Abwandlung von Heidegger (“Der Ursprung des Kunstwerkes”) möchte man sagen, dass es die eigene Wahrheit ist, die sich ins Werk setzt. Die Frage “ob das Original in Zeiten netzbasierter Kunst ausgedient hat” (Yvonne Schweizer, “Kompatibilitätsprüfung. Digitale Medien und die Kunst”, Forum Universität und Gesellschaft, 2018) stellt sich nicht. “In diesem inhaltslosen, gesellschaftslosen lebenslänglichen Akte von amor fati besteht nun das Dasein und ist <eigentlich>” (Günther Anders, “Ueber Heidegger”, Beck 2001). Es ist auch eine Philosophie der Stimmungen als kognitiv fundamentale Erscheinungen. Grand fragt sich, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen und er versucht sich diesem mit Zeichnen und Malen anzunähern, über das Material, durch wiederholtes Auftragen, schauen, wegnehmen. Es ist eine Suche nach der verborgenen oder verdrängten Wahrheit welche die Kapazität der Seele erweitert und ins Bild setzt. Er sucht diese Tonarten und Stimmungen und überträgt sie in Figuren und Farben. Mit seinem Werk will er nicht Welt, sondern er selber sein, nicht der Welt “zu eigen”, sondern “eigentlich” (nach Günther Anders, op.cit.). Grand ist ein stiller Gestalter von Schönheit und Abgründen, von der Leichtigkeit und Fülle des Lebens, aber auch von dessen unausdenkbarer Weite und Tiefe des Gefühls (nach Stefan Zweig, “Friedrich Nietzsche”, Fischer 1951). In seiner unaufdringlichen Redlichkeit wagt man ihn nicht mit dem pathetischen Wort des <Daseinsmalers> zu bezeichnen und fragt sich, ob es in diesen subtilen Darstellungen nicht einfach um die Tiefendomänen von <Bauen und Kochen> geht. Beat Selz in Zusammenarbeit mit Nicolas Grand, Februar 2019 Einladungstext “In diesem inhaltslosen, gesellschaftslosen lebenslänglichen Akte von amor fati besteht nun das Dasein und ist <eigentlich>” (Günther Anders, “Ueber Heidegger”, Beck 2001). Es ist auch eine Philosophie der Stimmungen als kognitiv fundamentaler Erscheinungen. Grand fragt sich, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen und er versucht sich diesem mit Zeichnen und Malen anzunähern, über das Material, durch wiederholtes Auftragen, schauen, wegnehmen. Es ist eine Suche nach der verborgenen oder verdrängten Wahrheit welche die Kapazität der Seele erweitert und ins Bild setzt. Er sucht diese Tonarten und Stimmungen und überträgt sie in Figuren und Farben. Mit seinem Werk will er nicht Welt, sondern er selber sein, nicht der Welt “zu eigen”, sondern “eigentlich” (nach Günther Anders, op.cit.). Grand ist ein stiller Gestalter von Schönheit und Abgründen, von der Leichtigkeit und Fülle des Lebens, aber auch von dessen unausdenkbarer Weite und Tiefe des Gefühls (nach Stefan Zweig, “Friedrich Nietzsche”, Fischer 1951). In seiner unaufdringlichen Redlichkeit wagt man ihn nicht mit dem pathetischen Wort des <Daseinsmalers> zu bezeichnen und fragt sich, ob es in diesen subtilen Darstellungen nicht einfach um die Tiefendomänen von <Bauen und Kochen> geht. Beat Selz in Zusammenarbeit mit Nicolas Grand / 08.01.2019 |
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