Saaltext
«Ich weiss, wohin ich will; ich bin kein Utopist, ich bin ein Gelehrsamkeitsfanatiker». So definiert sich Mandril, 35 Jahre, Künstler unter jedem Titel des Begriffs – und vor allem im Herzen. In feinfühliger und hochstehenden Sprache vermag er sich ungeachtet dessen in grosser Einfachheit auszudrücken. Die Kunst in allen ihren Zuständen berschäumend, ja überbordend, Marc « Mandril » Ferrario ist schwer zu fassen, einzuordnen, die Ideen schiessen so schnell heraus wie es ihm sein Sprachfluss erlaubt, er ist wissensdurstig, er stützt sich auf alle Kunstgattungen, wenn er an seinen Projekten arbeitet; er zitiert Hegel und Eckhart, analysiert die Architektur und schöpft aus der griechischen Mythologie – die ihn inspiriert. Zur Zeit brütet er an einem grossen Projekt über Ikarus, einer Tätigkeit bestehend aus Denken und Suchen «von prometheischer mythologischer Dimension », nach allen fliegenden Maschinen, welche je im Lauf der Jahrhunderte und der Kulturen von Menschen ausgedacht wurden. Um das zu schaffen, sammelt er Bilder als veritabler «Bilderfresser», erfindet diese jedoch auch: «Ich konsumiere Kulturelles, und erzeuge Bilder, es ist eine Form von Respiration». Der Kopf in den Sternen Paradoxerweise hat er sich mit Enthusiasmus in ein Projekt von Fresken für das 50jährige Jubiläum der Raffinerie von Cressier gestürzt. Angesichts des bestimmenden Einflusses des industriellen Umfelds auf seine Arbeit fühlt er sich privilegiert, diesen Ort besuchen zu können, den sonst andere Menschen kaum zu sehen bekommen. Es ist ein Traum, der sich auf wundersame Weise materialisiert. « oh, diese da sollte man wirklich hinauswerfen » Mandril hat sich um 3 Uhr morgens dorthin begeben, um ein paar Fotos von der Spitze der Türme aus aufzunehmen, welche für die Erschaffung seines Freskos benötigt werden. Eine leuchtende Tafel – ein Markenzeichen – auf dem Hintergrund des Sternenhimmels über der Raffierie. Ein schönes Projekt, schlussendlich, weil es ihm erlaubt, seine Kunst mit seinem geistigen Universum zu verbinden. Ein Kreativer in der welschen Schweiz Als Neuenburger Künstler unterrichtet er seit über 10 Jahren an der Akademie de Meuron. Wenn ihm auch die Arbeit gefällt, so hindert ihn dies nicht, mit den Schülerinnen und Schülern streng zu sein, weil er der Ansicht ist, dass Adoleszente und junge Erwachsene heutzutage mehr unterhalten als ausgebildet werden ! Er verlangt deshalb von ihnen, ihr eigenes Potential von sich aus zu explorieren: « Ausbilden heisst nicht eine Vase füllen, sondern ein Feuer entfachen », mit Aristophanes gesprochen. Er gibt ihnen das nackte Material und die Semiotik als Wissenschaft der Zeichen, erwartet jedoch von ihnen, dass sie sich ihre eigenen Ueberlegungen machen. Er verbrämt die Wirklichkeit nicht, bereitet sie vielmehr darauf vor: Es ist sehr schwer, von seiner Kunst zu leben, es braucht einen enormen Willen, um das zu erreichen... in der Schweiz und inbesondere in Neuenburg zu sein, findet er nicht besonders dynamogen ! Eine gewisse Scheu In dieser Hinsicht weist Mandril darauf hin, dass es ihm schwer fällt, sich im Kunstmarkt als Künstler oder Illustrator zu etablieren: « Ich weiss nicht so recht, wo ich mich positionieren soll zwischen integer bleiben und mich zu verkaufen wissen. Demzufolge arbeite ich, auf dass Begegnungen zustande kommen, aber ohne diese zu provozieren ». Und es funktioniert: Wenn Mandril in diesem Moment auch etwas Zeit braucht, um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, so ist nicht weniger dafür gesorgt, dass er im Jahre 2017 mit einer Serie von Ausstellungen hervortreten kann. Er versucht auch, seine Wirkungstiefe auszuweiten, denn so sehr er die neuenburgische Kunstszene auch liebt, zu welcher er in den vergangenen Jahren viel beigetragen hat, empfindet er doch ebensosehr das Bedürfnis, anderswo hinzukommen, um Kollaborationen zu entwickeln und neue Anregungen zu finden. « Man muss sich Neuem zuwenden, der Rebstock gedeiht nur allzuschwer in unseren Weinbergen, ohne dass man ihn ausgiebig bearbeitet … und ich spreche nicht einmal vom erkenntnistheoretischen Hagel... ». Mandril will sich auch etwas mehr seiner persönlichen Arbeit widmen, die er für sich behält: « Ich zeige meine intimsten persönlichen Produktionen nicht » . Er braucht einen « ummauerten Privatgarten » , welcher als fruchtbarer Mutterboden für seine anderen Projekte dient. Viel Inspiration schöpft er aus der Natur, besonders aus dem Wald, wo er sich gerne erholt. Dieser Einfluss findet sich in seiner Arbeit, zum Beispiel im Fresko, welches eine futuristische postindustrielle Metropole zeigt, die man rechtens als urbanen Dschungel lesen darf. Mandril bahnt sich als passionierter Kenner seinen Weg durch die zeitgenössische Kunstwelt, durch das « contemporary » , leichtfüssig, ehrlich, und vor allem mit vielen Plänen für die Zukunft. Mylène Steity |
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