Texte
Jean-Pierre Girod, jurassischer Kunstkritiker bekannt für seine Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit, schreibt Samstag, 7.Mai 2016 in der Tageszeitung Le Quotidien Jurassien :
Seeberg lebendig, farbig und kraftvoll Dies ist eine Ausstellung am Rand der Trends der zeitgenössischen Kunst, originell, witzig und belebend Paul-André Boegli, der seine Werke mit dem Namen Seeberg signiert, ist ein spöttischer Beobachter mit bemerkenswerter Handschrift. In der Galerie SELZ art contemporain, in Perrefitte, schlägt er den Betrachter bis am 22.Mai in Bann mit der Banalität oder auch der Spassigkeit des Alltags, mit einem Schwung, der gute Stimmung verbreitet. Lehrer im Ruhestand, mit Wohnsitz in Movelier, wurde Seeberg 1941 geboren und hat die Schulen in Moutier besucht. Er malt seit seiner Jugend und hat etwa 20 Ausstellungen bestritten, hauptsächlich im historischen Jura. Heilige Drei Könige und Waschmaschine Mit seiner Malerei erzählt Seeberg Geschichten, oder spielt mindestens darauf an. Sein figurativer Stil stützt sich auf die Sicherheit der Zeichnung und eine majestätische Kühnheit in der Wahl der Farben (er hat seiner Ausstellung übrigens den Titel «Espaces colorés» gegeben). Feinsinniger Beobachter des Universums der Familie, des Dorfes, aber bei Gelegenheit auch des Universums, Mikrofone ausgerichtet auf die menschliche Unzulänglichkeit, inszeniert er die alltägliche Banalität, mit einem soliden Appetit für brenzlige Situationen, den Anachronismus, die Uebertreibung. Bei ihm erreichen sogar ein braver Cénacle d'enseignants (Lehrerversammlung) oder eine Hausfrau, die gerade ihre Nouvelle machine à laver (Neue Waschmaschine) entdeckt, ungewöhnliche Proportionen im Ausdruck des zufriedengestellten Vertrauens oder der hysterischen Begeisterung. Und in Maman n'est pas contente (Mama ist unzufrieden) ist es alle Eitelkeit des immerwährenden Generationenkonflikts, welche den wuterfüllten Blick bestimmt, den die Mutter auf den mehrfarbigen Hahnenkamm des Sohnemanns als Punk wirft. Andere Gemälde illustrieren die Beleidigung, die Lüge, oder einfach nur einen Ausflug, der in irgend einem Kaff in einem Menschenauflauf mündet. Im Falle von Translation horizontale dans un espace euclidien (Horizontale Translation in einem euklidischen Raum), handelt es sich um eine Herde von Kühen, Ziegen, Schafen, Hunden, Katzen, einen Bauern, die das Bild von rechts nach links durchqueren. Auch die Bibelgeschichte wird aktualisiert. Voici les Rois mages (Hier die Heiligen Drei Könige): ein Landstreicher und seine Flaschen, ein Geistestäter mit Koffer, ein Schwarzer mit mehrfarbiger Kappe und Einkaufstasche, die in sonniger Landschaft deambulieren. Sie haben ihren Lieferwagen im Hintergrund in einer kleinen gelben Wiese stehen lassen. Betreffend Portement de Croix ( Kreuztragung) revisitiert er ein Werk von Hyeronimus Bosch, nur dass das Kreuz ersetzt ist durch eine Verkehrsschranke in Rot und Weiss, markiert Re Ju, wenn sie wissen, was er meint. Seeberg amüsiert sich, sein unbeschwerter Stil erlaubt ihm das. Er malt auf der Basis von Kasein, auf Papier mit der Leichtigkeit des Aquarells, auf Leinwand und Platte mit dem deckenden Effekt der Oelmalerei. Immer aber steht das Zeichnerische im Vordergrund. Munter, seiner selbst sicher, ist er es, der die Bewegung hervorbringt, das Leben dieser kleinen karikaturalen Menschheit, er, der Lücken lässt in den Geschichten, denn Seeberg eignet auch die Kunst, der Fantasie des Betrachters zu überlassen, ob sie das Unaussprechliche zu überbrücken vermag. (Uebersetzung aus dem Französischen Beat Selz) <Anektotismus> und Geschwätz
Text von Antoine Boegli, Sohn des Künstlers, Katalog <Seeberg>, 2011 Paul-André Boegli, alias Seeberg, ist Kunstmaler. Mit seinen Pinseln überzieht er jede Art von Unterlage. Manchmal graviert er, oder skulpturiert, aber er kommt stets auf die Malerei zurück, die sein bevorzugtes Ausdrucksmittel ist. Er hat noch andere Qualitäten, darunter diejenige, mein Vater zu sein, und derjenige meines Bruders Louis. Wir beide sind im Terpentin-Geruch aufgewachsen, und im Geruch des nach Bananen riechenden Nitroverdünners, und schon als kleine Buben waren wir entzückt von den unglaublichen Bildern, die aus der Leinwand hervorzutreten schienen, wie durch Zauberei, und offensichtlich durch die Gnade der väterlichen Kunstfertigkeit. Heute neige ich weniger dazu, an ein Eigenleben seiner Pinsel zu glauben. Hingegen bleibe ich fasziniert, wie Motive, Formen und schliesslich Akteure in Szenen aufscheinen, die das seeberg'sche Zeichenvokabular ausmachen. Es versteht sich von selbst, dass ich den kreativen Prozess durch den Filter der eigenen Erfahrungen jetzt nachvollziehen kann, so sehr letztere auch von der bildenden Kunst verschieden sein mögen. Ich kann auch die Schwierigkeit bezeugen, welche dem vom eigenen Vorgehen überzeugten Künstler begegnet, wenn er konfrontiert ist mit anderen Künstlern, die von ihrer eigenen Sichtweise ebenso eingenommen sind. Die Kunst ist eine Angelegenheit von Persönlichkeiten, und die Mischung von solchen kann explosiv sein, kann Unverständnis generieren, Vorurteile, Streitigkeiten, Hass, Freundschaft. Die Liste ist lang und enthält am Ende mehr Rivalität als Erbauung. Aus diesen Zeiten abwegiger Rivalität bleibt mir der Ausdruck <anektotisch> in Kritiken der Kunst von Seeberg. Dieses Wort ist für Seeberg sowohl ein Zeichen des Unvermögens (nicht überzeugt zu haben), aber auch der Unerschrockenheit, als Helmzier auf der Rüstung des Kritikers moderner Kunst. Denn Seeberg attackiert die moderne Kunst. Betrachten wir das Vorgehen des Kritikers. Zunächst, nachdem er beispielsweise beschlossen hat, mit Akryl zu arbeiten, skizzierte er in groben Strichen auf der Leinwand ein Skelett aus Farben und abstrakten Formen. Was er darin sieht, könnte nur er selber sagen, aber in diesem Rohzustand ist alles noch veränderlich. Nunmehr, durch sukzessive Ergänzungen, verdeutlichen sich die Formen, die Szene konkretisiert sich, und schliesslich erscheinen Personen und teilen sich in ihre Rollen, zerrissene Persönlichkeiten, eigensinnige Pferde und verrückte Bauern, auf dem Hintergrund urbaner Konvulsionen, von Dschungeln des Wahnsinns und absichtlich verfälschter Perspektiven. Die Handschrift von Seeberg zeigt sich in der Inszenierung aller dieser Elemente in einem fabelhaften unbeweglichen Theater, in einer Bildkunst, die durchdrungen ist von Geschichten und Anektoten, einer Kunst, die schlussendlich wirklich anektotisch ist. Seine Personen scheinen oft zu tanzen, an einer merkwürdigen, in den Malmitteln erstarrten Sarabande teilzunehmen, oder aber sie nehmen bestimmte Posituren ein, spielen sich vor dem Objektiv des Bildmachers auf, <schaut, wie schön wir sind !> . Familienmitglieder, die für eine eingebildete Nachwelt posieren, unbekannte Zeitgenossen, die sich ein Glas Weissen genehmigen, oder angeheiterte Kapitalisten, die in der kapriziösen Beleuchtung Seeberg'scher Leinwände mutmasslich kapitale Themen abhandeln. Was zählt, ist die Geschichte, vielmehr die Geschichten, welche diese schrägen Blicke erzählen, diese angespannten oder im Gegenteil von schallendem Gelächter durchdrungenen Gesichter, dass die Farbe von den Leinwänden fallen könnte. Seeberg macht sich zum Fürsprecher der Anektote, des alltäglichen Dramas und dieser sonderbaren Szenen, denen man im Traum begegnen kann, aber ebenso gut an jeder Strassenecke. Nichts Abstraktes in diesem Vorgehen, keine theoretische Rechtfertigung, bevor das Werk geschaffen ist, ausschliesslich der Wille, zu erzählen und in mehr oder weniger symbolischer Form ein Ereignis oder seine Teilnehmer zu zeigen. Die Aesthetik der Werke dieses Künstlers leitet sich auf natürliche Weise aus diesem Willen ab, und nicht nur aus der Leichtigkeit und der Begabung mit denen er Pigmente und Farbtöne über die Oberfläche seiner Leinwände verteilt. Die Kunst von Seeberg reicht weit über eine Sammlung von Klischees hinaus. Lassen Sie sich ansprechen von den Anektoten, den Erinnerungen, den Bildern, die Ihnen in den Sinn kommen, und folgen Sie dem Maler: Er ist der Führer dieser künstlerischen Expedition. (Übersetzung aus dem Französischen von Beat Selz) |
Seeberg
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