Texte
Einladungstext
Besessen, Québatte ? Ja, wild entschlossen, in seiner künstlerischen Suche den Inhalt aus der Form zu exstirpieren, das Lebendige aus seiner Matrix. Seine Silhouetten, seien es menschliche, pflanzliche oder irreale verlieren sich, nein ! verschwinden in einer Flut von Strichen, hinter Wellen von Farben. Daraus entsteht das Mysterium, in der Tiefe, hinter einem bloss angedeuteten oder flüchtigen Rahmen. Québatte fordert den Betrachter auf, durch die Farbe ins Innere zu treten. Jeder steigt ein nach Lust und Laune, auf eine anstrengende, manchmal auch verwirrliche Reise. “In meiner Arbeit erblickst Du, was Du willst, meinerseits versuche ich zu sagen, wer ich bin” bemerkt er mit schallendem Lachen. Unterwegs auf den Spuren der Träume oder des Wahns, querfeldein im Herzen unbestimmter Landschaften, dort, wo der Horizont unter der Sonne brennt, wo die Natur in den Abgrund stürzt und wo die Sinne triumphieren... Und hier breiten sich da und dort feine Zierplättchen aus, frohgemut auf scheinbaren Himmeln. Sie spielen mit dem Licht, wie die Bilder, welche aus der Bewegung kleiner Dosen entstanden, welche Québatte, als Kind, mit Wonne manipulierte. Der festgefügte Charakter des Künstlers fördert die Gegensätze. Heftig, im Rohzustand. Wie diese Persönlichkeit, die das Rückgrat krümmt, um sich dem Antlitz der Welt leichter zu entziehen ... oder diese zur Hälfte verschlungenen Frauenkörper, die dem Chaos trotzen. Die Migranten sind nicht weit, die Marginalen drängen hervor, das Sentiment trägt einen Hauch der Gedichte von Baudelaire. An der Grenze einer organischen Darstellung, derjenigen, die nichts hat von Anschein, derjenigen, welche der Künstler aus der Tiefe hervorbringt. Treu, Québatte ? Ja, der gouache, der Technik, welcher er mit Leib und Seele anhängt, mit beachtlicher Bewegungsfreiheit. Die Gouachetechnik immer auf Papier angewandt. Ein Vorgehen, das machtvoll und kohärent ist auf grossen Formaten, aber auch auf einer überraschenden Folge von kleineren. Auf einem Tisch des Ateliers, ein Werk über das Werk von Valloton...unter vielen anderen. Und dann, angelehnt an die Fensterrahmen, eine Serie von Zeichnungen...im Entstehen. Wer weiss warum ? All das im Dienst der künstlerischen Suche. Claude Stadelmann, Filmemacher, März 2016 (deutsche Übersetzung Beat Selz) Saaltext
(Ausschnitt aus dem Artikel <Québatte – peintre de la rémanence> von Jean-Pierre Girod in <Québatte>, Publikation herausgegeben aus Anlass der Ausstellung vom 28.April bis 3 Juni 2012 im Musée jurassien des Arts – Moutier, mit herzlichem Dank für die Zustimmung zur Wiedergabe.) Was ist Wirklichkeit, was ist Erfindung ? Die Grenze ist unbestimmt bei Georges Barth, alias Qébatte. Von seinen ersten Kupferstichen bis zu den neuesten Gouachen auf Papier verführt er den Betrachter, legt ihm Fallen, lässt ein plötzliches Licht aus der Tiefe des Bewusstseins als wirklich erscheinen, als fiktiv die reale aber flüchtige Ansicht einer Landschaft. Québatte verschifft sein Volk in ein Abenteuer voller Finten; seine Malerei bezieht ihre vieldeutigen Eigenschaften aus ihrer plastischen Lebendigkeit ebenso wie aus den Geschichten, die sie zu erzählen scheint. In dieser Kunst gibt es Märchen und Mythen, wo unförmige Figuren in düsteren oder paradiesischen Landschaften spuken, wo man einen kahlköpfigen Engel trifft, Christus verwickelt in einen Tumult aus ätzenden Schatten und Helligkeiten, eine auf blauem Fels lagernde Person, zermalmt von der Unermesslichkeit eines glühenden Himmels, gastlich verwandelt durch zwei anmutige Palmen. Überall Chaos und Gelassenheit, in sonderbarer Harmonie. Georges Barth wird 1951 in Saignelégier geboren, absolviert eine Lehre als Zahntechniker, spielt Gitarre und Bass in diversen Rockgruppen, zirkuliert in grossen amerikanischen Kisten, schwarze Haare im Wind, lang genug, als dass einige ihn Jesus nennen. Ungeachtet dieser grellen Äusserlichkeiten, die seit langem abgelegt sind, ist der Mann unaufdringlich. Als er seine Werke erstmals öffentlich zeigt, anlässlich einer Ausstellung mit Künstlern aus Moutier im Jahre 1980, organisiert von der Galerie <du Tilleul> in Perrefitte, weiss seine Umgebung kaum, dass er malt. Auf dem rosafarbenen Plakat mit den Porträts der 12 Ausstellenden sieht man ihn von Hinten, dazu unter einem Pseudonym, das niemand kannte, Québatte. Ein Fantasieprodukt ? Im Gegenteil: Ein guter Name aus den Freibergen, derjenige seiner Mutter. Etwas Wahres mit der Wirkung einer Fiktion, und wir sind schon in einer Art, die Realität durcheinander zu bringen, diese zuzurichten, ohne ihre Essenz zu verraten. Ein Verfahren, auf die Malerei angewandt, welches zum Markenzeichen des Künstlers wird. ... Im Jahre 2001, im <Espace Courant-d'Art> in Chevenez, zeigt er befremdliche Interieurs hergestellt mit Kreiden Conté Paris, zusammen mit den Werken von Fred-André Holzer. Darauf macht er sich an eine Folge von Pastellzeichnungen, in welchen er sich mit Christus befasst. Das Experiment wird entscheidend sein. Als Modell nimmt er ein kleines Kruzifix, das er einige Jahre zuvor aus Spanien mitgebracht hatte, malt es in allen Ansichten, imaginiert nüchterne oder fantastische Kulissen, hell leuchtend oder obskur, manchmal schrill. Und tatsächlich hat er hier seinen Stil gefunden. Sein Blick erfasst die kleine Heilandsfigur mit mehr Hingabe, mehr Durchdringung, als die unbewegten Objekte und die fiktiven Personen, die vorangingen. Er sucht das unmittelbare Gegenüber, gleitet von einer freien, traumhaften Figuration in eine von Tiefsinn getriebene Kunst, auf der Suche nach dem verborgenen Sinn der Dinge. Er wird sagen: «Von da an war ich Kunstmaler». … In den ersten Monaten von 2007 bereichern Töpfe, Pinsel, Farbtuben das Dekor: im Moment, wo Québatte beschliesst, sich der Natur zu öfnen, wechselt er das Ausdrucksmittel. Von Pastel geht er zu Gouache über und schaut hinaus. Jedoch bevorzugt er den Fenstern seines Ateliers, denen er beim Malen immer noch den Rücken zukehrt, diejenigen seines Autos, wo er im Fahren, mehrheitlich in der Region, die flüchtigen Ansichten der vorbeiziehenden Landschaften in sich aufnimmt. Im Gegensatz zum Künstler, der das Motiv reproduziert, ist er Alles in Allem ein Maler des Nachbilds, der die Erinnerungen einer visuellen Erschütterungen reproduziert und diese selbstredend transformiert, manchmal bis zum Verschwinden einer Anmutung von Landschaft. Alles jedoch, inskünftig, geht daraus hervor und führt dahin zurück. … Hypothesen, Interpretationen ? Québatte spricht kaum über den Sinn seiner Werke, wobei eines sicher ist: Sein Universum, farbig, frei, ist nicht wirklich tröstlich, manchmal gar bedrückend. Seine Personen scheinen die getrübte Atmosphäre mitzubekommen, man sieht sie beunruhigt, besorgt, im Kampf mit weiss nicht nicht was. Das gesamte Werk beruht auf der Spannung, die sich im Lauf der Jahre herausgebildet hat und ihren Höhepunkt in den Gouachen erreicht. Allerdings mit bemerkenswerten Ausnahmen, angefangen mit einigen bukolischen Szenen, selten gar von Humor getönt, bis zu jenem raren Porträt eines sitzenden Mädchens mit überkreuzten Beinen, von glühender Unschuld. Der Augenblick des Glücks, die jähe Angst, die Sorglosigkeit, die Wut und all die unbedeutenden Vorkommnisse ausgedrückt in einer Fülle von Formen und Farben, bilden die Welt, die Québatte durch einen Zerrspiegel beobachtet. Eine Poesie der Verdichtung, die Kunst eines wachen Träumers. Deutsche Übersetzung Beat Selz. |
Québatte
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